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51 Tage auf dem eigenen Segelschiff - Wir entdecken das Segelgebiet der Kanaren

Aktualisiert: 18. Feb. 2024

Kaum auf den Kanaren angekommen und auf unserer ersten Insel La Graciosa am Einleben, listen wir die anstehenden Arbeiten auf. Die Liste ist länger als uns lieb ist. Die holländische Crew, welche wir in Tangier kennen gelernt haben, war etwas schneller als wir. Bei Ankunft und Internet schneite sofort eine Nachricht vom Skipper rein: "Und? Was müsst ihr alles reparieren?". Wir müssen akzeptieren, dass Pflege, Schäden und Reparaturen am Schiff zur Tagesordnung gehören.

Badehosen auf hoher See

So beschäftigen wir uns die ersten Tage nach der Ankunft mit der Organisation von Ersatzteilen und reparieren was bereits möglich ist. Es ist nicht ganz einfach, aus einer Ankerbucht heraus und ohne feste Adresse, Teile aus der Schweiz und Deutschland zu erhalten. Nebenbei suchen wir die möglichen Freizeitaktivitäten der Insel La Graciosa und sind erstaunt, wie schnell das Thema Work-Life-Balance im Fokus steht. Hätten wir so nicht erwartet.

Wir suchen also weiterhin diese Balance und gönnen uns ein Abendessen im kleinen Fischerdorf sowie eine Wanderung auf einen kleinen erloschenen Vulkan. Zwischendurch liegt auch eine Abkühlung im Meer drin.



La Graciosa verdient seinen Namen, doch wir sehnen uns nach Gesellschaft, Spass und Nachtleben. Wir steuern den Süden von Teneriffa an. Los Cristianos scheint unsere aktuellen Bedürfnisse zu erfüllen, es gibt Surfstrände und Tourismus.

Doch noch trennen uns 180 Seemeilen und 26h Stunden harter Wellengang und Wind bis 30 Knoten vom ersehnten Paradies. Es ist Rückenwind gemeldet, daher trauen wir uns hinaus und sind uns den anstrengenden Konditionen bewusst, mal wieder keine Kreuzfahrt. Das Schiff fährt schnell, 8 Knoten im Schnitt, wir reiten es am Limit und sind uns dessen so halb bewusst. Als wir in der Nacht die Küste von Teneriffa erreichen, werden die Wellen grösser. Der Autopilot hat nun Mühe beim Steuern und wir müssen immer wieder eingreifen. Die Handgriffe sitzen nicht immer und kommen auch mal zu spät. Das Schiff schiesst uns zweimal in den Wind und macht fast eine Wende. Einmal gibt es eine Halse, ohne Bullentaile (eine Sicherung des Grossbaumes um eine Patenthalse zu vermeiden) würde der Baum von der einen Seite zur anderen herum schlagen. Das gab schon Tote und häufig Schäden am Material. Aber eben, zur Sicherheit haben wir die Bullentaile antizipiert, daher ist nichts weiteres passiert. Jedoch knarzt es ab da komisch aus der Backskiste. Wir nehmen uns vor, den Autopiloten und das Ruder bei Ankunft zu kontrollieren.


Achja, da war noch ein weiterer Krimi. Das Dinghy (Beiboot) haben wir mit einem Schot nachgezogen. Wegen der rauen See zerschnitt es dieses Schot beim Anmachpunkt am Dinghy. Voller Schrecken stellen wir plötzlich fest, dass wir nur noch das Seil ziehen, ohne Boot. Nach Ausschau wie der Pirat von Asterix und Obelix bei Kleopatra, entdecken wir das Dinghy zwischen den Wellen. Nach Diskussion des anstehenden Rettungsmanöver, fahren wir unter Motor aufs Dinghy zu. Einer springt rein und bindet es neu an, einer steuert und der Dritte hält den Überblick und hilft wo nötig. Das Reinspringen beim vorbei Fahren klappt. Der erste Bergungsversuch leider nicht, wir fahren am Dinghy und unserem Mutigsten vorbei und davon. Wie ein Verschollener verschwindet er immer wieder hinter den 4-5m hohen Wellen. Da alle Augen aufs Dinghy gerichtet sind, verpasst der Steuermann die Beobachtung der Welle und Jaleo surft diese runter. Die Gefahr dabei ist das gefürchtete Querschlagen. Wenn ein Schiff eine Welle runtersurft, wird der hintere Teil mehr beschleunigt als der vordere Teil, das Schiff stolpert dabei sprichwörtlich über sich selbst und schlägt eben quer. Die darauffolgende zweite Welle trifft voll auf die Breitseite und kann ein Schiff zum Kentern bringen. Die Wellen waren zu klein (oder unser Schiff zu gross), damit das Schiff kentert, jedoch ist nun Schiff und Crew nass. Zurück zum Dinghy, der zweite Versuch hat geklappt und alle sind heil zurück an Bord. Nebst Schürfwunden mit einem blauen Auge davon gekommen...


Segelboot auf dem Meer vor Anker

In Teneriffa fühlen wir uns erstmals richtig angekommen. Wir geniessen den Trubel und das Surferleben. Meistens arbeiten wir am Vormittag und geniessen den Nachmittag, Work-Life-Balance halt. Wir kontrollieren den Autopiloten und entdecken, dass es den Ruderquadrant am Ruderschaft verschoben hat. Die Folge der rauen See und unserem Verhalten der letzten Nacht.

Wir können ohne Ersatzteile eine Reparatur und Verbesserung vornehmen und fragen uns wieder einmal, wie andere, mechanisch weniger begabte Segler, solche Herausforderungen meistern.


Fussballmatsch CD Teneriffe Zuschauer

Unsere Teneriffa Highlights sind die ersten gestandenen Wellen, ein Fussballspiel des CD Teneriffe und der Stadtteil San Cristobal de la Laguna in Santa Cruz. Auch die Wanderung beim Teide, einem 3'715 m hohen Vulkan hinterlässt mit seiner Mondlandschaft Eindrücke.


Santa Cruz Logo mit drei Touristen

Julian und Elena von Sailing Nalani, ein junges deutsches Paar welches mit 2 Kindern (9 und 24 Monate!) unterwegs ist, lädt uns zum Kaffee ein. Wir treffen uns auf ihrem Schiff welches gerade mal 11 Meter lang ist (Jaleo ist 14.5m lang). Wir sind beeindruckt vom Mut und der Gelassenheit der beiden.  Das Treffen kommt sehr gelegen, beide Crews haben das Bedürfnis nach sozialen Kontakten und dem Austausch mit anderen Seglern. Echt stark die Familie!



Wir verlassen Teneriffa und segeln rüber nach Las Palmas in Gran Canaria. Unterwegs testen wir unsere Fok (ein kürzeres Vorsegel als die Genua). Wir haben dieses Segel aus Zeitgründen noch nie getestet und sind gespannt.

Die Bedingen sind gegen den Wind mit 20 Knoten, Strömung und Welle mal wieder hart. Wir rollen die Fok aus und versuchen sie richtig einzustellen, aber es will nicht aufhören zu flattern. Nach einigen wilden Versuchen brechen wir die Übung ab und gewinnen die Erkenntnis, dass die Battens (Querstangen) fehlen. Die Fok ist daher unbrauchbar und wir stehen in der dunklen Nacht zwischen Teneriffa und Gran Canaria. Ohne funktionierendes Vorsegel ist es unmöglich, gegen diese Bedingungen vorwärts zu kommen. Wir drehen um und segeln zurück in die Ankerbucht und legen uns um 02h00 schlafen.


Arbeiten am Segelschiff

Morgens um 08h00 weckt uns die marine Polizei, wir haben in der Nacht zu weit weg vom Ufer geankert und behindern den Fährbetrieb. Nach den gestrigen Vorkommnissen entscheiden wir auch die anderen beiden Vorsegel zu testen. Wir haben noch Jib 1 und 2, beides Segel für starke Winde bis Sturm. Falls unsere bereits in die Jahre gekommene Genua reisst, brauchen wir eine Alternative. Das Jib 1 scheint zu funktionieren. Wir machen zwar kaum Geschwindigkeit, jedoch braucht es für dieses Segel auch deutlich mehr Wind als es die Testbedingungen hergeben. Das Jib 2 bringen wir gar nicht erst hoch, die Nut unseres Vorstages ist zu klein. Wir fragen uns, wie einfach wir uns da wieder hinters Licht führen liessen.

Fazit: Wir haben zu unserer alten Genua keine Alternative und entscheiden ein neues Vorsegel zu kaufen. Das Konto sinkt um einige Tausend CHF. 

Am nächsten Tag erreichen wir Las Palmas gegen Mittag. Unsere holländischen Freunde von Tangier warten bereits auf uns. Zufälligerweise ankert gleichzeitig eine andere befreundete Crew von unserem Heimathafen in Barcelona. Es freut uns, diese Menschen zu treffen und das Erlebte zu teilen. Alle Crews haben auf ihrem Weg vom Mittelmeer bis hier hin einiges durchgemacht und klagen über Schäden. Die Freude und der Stolz überwiegen und so streifen wir alle zusammen durchs nächtliche Las Palmas.

 

Blick auf die Stadt Las Palmas

Unser Sonntag ist dementsprechend ruhig und wir geniessen die Aufbruchstimmung der an der ARC teilnehmenden Segelcrews. Die ARC ist ein Rennen für Cruising Segler. Ungefähr 150 Boote verlassen an diesem Tag den Hafen in Richtung Karibik. Wir planen die anstehende Woche um am nächsten Wochenende ebenfalls bereit zu sein, die Atlantiküberquerung zu starten.

Die rund 2'800 Seemeilen und ca. 23 Tage lassen die Gedanken kreisen.

 

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