Wie kommt Anja auf unser Boot?
Nach mehrmaligem Zusammenstrecken unserer Köpfe und dem Abwägen diverser Möglichkeiten und Risiken, stand kurz vor knapp der Masterplan. Anja ist zu diesem Zeitpunkt bereits am schlafen um am nächsten Tag mit dem Zug nach Paris zu reisen. Von dort aus fliegt sie weiter nach Tahiti. Beim Gute-Nacht-WhatsApp wussten wir noch nicht, ob und wo Anja unser Schiff erreicht.
Doch dann finden wir Maupiha‘a, eines der westlichsten Atolle von Polynesien. Dort leben weniger als zehn Personen und es gibt nicht einmal ein Versorgungsschiff. Die nächste Zivilisation, Maupiti, liegt 180km entfernt. Dazwischen nur der weite Ozean. Selbst auf Maupiti leben nur etwa 1‘200 Personen.
Wir entscheiden uns dort hin zu segeln, dies ist übrigens unsere erste Überfahrt zu zweit. Die erste der beiden Nächte ist sehr wild. Wir segeln in die Nacht hinein und langsam verschwindet Moorea in der Dunkelheit. Dafür türmen sich immer grössere Wellen auf. Wir schlafen nicht viel in dieser Nacht, es ist einfach mal wieder Kacke… segeln kann so unglaublich schön sein, aber ebenso beängstigend und beelendend.
Mit der Morgensonne wird es dann ruhiger, jedoch sind wir von der Nacht gezeichnet und können die restliche Überfahrt nicht geniessen. Glücklicherweise kommen wir nach einer weiteren Nacht bereits an unserem Ziel an. Der Pass ist unglaublich schmal und die Betonnung wurde nach dem letzten Sturm nicht erneuert. An dieser Stelle sind wir sehr dankbar, dass es einige Segler gibt, welche auf Apps wie „No foreign land“ oder „Navily“ Informationen über solche Passeinfahrten festhalten. Dadurch wissen wir, dass wir uns rechts halten sollen, links würden wir den Grund berühren. Leider gibt es in diesem Teil der Welt kein verlässliches Kartenmaterial.
Allen Mühen zum Trotz, einmal angekommen finden wir uns erneut im Paradies. Beim Ankercheck auf 16m Wassertiefe schwimmt ein grauer Riffhai mit nach oben. Die Tiere tun einem nichts. Es gibt keine bekannten Zwischenfälle zwischen Menschen und dieser Art von Haien, wie sie hier in den Atollen leben (ausser beim Speerangeln).
Zurück zur eigentlichen Geschichte. Anja, mittlerweile in Tahiti gelandet und mit der Fähre weiter nach Huahine gereist, wird dort von Sailstrong empfangen. Nach wenigen Tagen auf der Insel, machen sie sich auf den Weg zu uns nach Maupiha‘a. Jonas und Jenny übergeben uns Anja am anderen Ende der Welt in mitten des grössten Ozeans auf einer ringförmigen Insel. Der erfolgreiche Masterplan hat einen nicht bezifferbaren emotionalen Wert.
Der Empfang wird mit einem selbst gemachten „Poisson Cru“ gefeiert, serviert in der hier unerschöpflichen Ressource Kokosnuss.
Wir werden nun Maupiha‘a und danach Aitutaki auf den Cook Islands besuchen. Zwei Inseln, welche nicht auf unserer Route waren. Jedoch auch keinen nennenswerten Umweg bedeuten. Manchmal sind genau diese Überraschungen die besten Orte.
Viel Regen im Paradies
Die Tage hier sind gemächlich. Leider haben wir kein Wetterglück, es regnet fast täglich. Vielleicht zum letzten Mal geniessen wir hier unglaubliche Schnorchelgänge, Bonfire am Strand und Harpunenjagd auf Fische. Sogar Kitesurfen klappt an einem Tag. Atolle sind dazu perfekt geeignet. Es gibt keine Erhöhung an Land, dadurch wird der Wind nur in einer kurzen Zone hinter dem Wald gedämpft. Dank dem Riff findet man bei jeder Windrichtung einen wellengeschützten Bereich.
Highlight zum Schnorcheln ist erneut der Pass. Die herrschende Strömung lockt viel Leben an. Gleich ausserhalb gibt es ein deutsches Schiffswrack. Folgend der interessante Wikipedia Eintrag über die ganz verrückte Geschichte dieses Wrackes.
Wikipedia:
Das Atoll wurde am 30. Juli 1767 von Samuel Wallis entdeckt und als „Lord Howe Island“ benannt.
Im Ersten Weltkrieg, am 2. August 1917, strandete der deutsche Hilfskreuzer Seeadler des „Seeteufels“ Felix Graf von Luckner am Saumriff von Maupihaa. Zu dieser Zeit lebten auf der Insel nur drei Polynesier, die für eine Gesellschaft auf Tahiti Kokosnüsse sammelten und zu Kopra verarbeiteten. 64 Besatzungsmitglieder der Seeadler und 47 Gefangene – Mannschaften und Passagiere der zuvor gekaperten Schiffe – lebten mit den Polynesiern mehrere Monate friedlich auf Maupihaa zusammen. Luckner rief eigenmächtig die Gründung der „letzten deutschen Kolonie“ – Cäcilieninsel – aus. Von den Überresten des gestrandeten Schiffes errichtete die Mannschaft die Siedlung Seeadlerdorf.
Luckner ließ alsbald das Beiboot instand setzen und segelte mit einigen Besatzungsmitgliedern 22 Tage lang zu den Fidschi-Inseln. Er plante, dort ein Schiff zu kapern, nach Maupihaa zurückzukehren und die übrige Mannschaft zu retten. Auf der kleinen Fidschi-Insel Katafanga geriet er jedoch in Gefangenschaft.
Den zurückgebliebenen Deutschen gelang es, den Kopra-Schoner Lutèce zu kapern. Sie tauften ihn um in Fortuna, ließen die Kriegsgefangenen – mit ausreichenden Vorräten versehen – auf Maupihaa zurück und segelten zur Osterinsel, wo das Schiff in der starken Brandung auf die Klippen trieb und sank. Nachdem die Mannschaft vier Monate auf der Osterinsel verbracht hatte, wurde sie in das neutrale Chile verschifft und dort bis zum Kriegsende interniert.
Nach der Abfahrt der Deutschen segelten vier Amerikaner mit dem zweiten Beiboot der Seeadler nach Pago Pago auf Amerikanisch-Samoa und setzten die Behörden über die Situation der auf Maupihaa lebenden Amerikaner und Franzosen in Kenntnis. Inzwischen war jedoch auch der australische geschützte Kreuzer HMAS Encounter an dem Atoll angekommen; im Gefolge wurden die Gefangenen in ihre Heimat zurückgeführt.
Die Beute von Luckners Kaperfahrten im Pazifik soll heute noch auf Maupihaa vergraben sein.
Nach der Beute von Luckners Kaperfahrten haben wir nicht gesucht. Dafür fanden wir einen anderen Schatz auf der Insel.
Der wahre Schatz dieser Reise
Schätze, vergraben auf Inseln von Piraten oder anderen Kaperfahrern, stellt man sich monetär vor. Berge voller Schmuck, Diamanten und Gold. Da unser ganzes „Gold“ im Schiff steckt, bleibt uns nichts anderes übrig als nach anderen Schätzen zu suchen.
Wir wurden auf dieser Reise mehrmals fündig, in Form von Begegnungen mit Menschen. Auf Maupiha‘a hat aktuell acht Einwohner. Drei davon haben wir tief ins Herz geschlossen und wahrscheinlich fanden wir auch einen Platz in ihren Herzen.
Adrienne: Sie ist die älteste der drei Generationen, welche zusammen ganz im Norden des Atolls leben. Eine aufgestellte Frau, welcher man das harte Leben auf einem nicht erschlossenen Atoll doch ein wenig ansieht. Die Frau ist sehr freundlich, selbstbestimmt und hat eine starke Art. “Harte Schale weicher Kern“, ist auch eine gute Beschreibung für Adrienne. Als Luca Fragen stellt, ob Haie, Kokosnusskrabben oder das äussere Riff bei Nacht gefährlich sind, lacht ihn Adrienne aus. Dies ist der Beginn einer neckischen Freundschaft und Luca wird nun häufig gefragt ob er gerade Angst habe. Achtung der Hund beisst.. Achtung die Kokosnuss fällt runter..
Wir haben zusammen viel gelacht.
Adrienne lebt hier eigentlich mit ihrem Mann, der ist auf unbestimmte Zeit zur nächstgelegenen Insel Maupiti gereist. Er müsse einige Sachen erledigen, unter anderem einen Aufenthalt im Spital. Wir haben nicht weiter nachgehackt.
Beim Verabschieden hatte Adrienne eine Träne in den Augen.
Fai Mano: Sie ist die Tochter von Adrienne. Eine intelligente Frau mit sehr aktuellen Weltansichten und Einstellungen zum Leben. Sie freut sich ebenso über Besuch von Seglern wie Adrienne. Wir sind überrascht über ihre Fähigkeiten in der englischen Sprache. Diese habe sie sich selber mit online Lernhilfen beigebracht. Dies war in der Zeit, in welcher sie auf Maupiti lebte. Auf Maupiha‘a gibt es nämlich noch keine Internetverbindung, nur ein Satellitentelefon. Fai Mano geht häufig alleine draussen auf dem Riff Lobster und Fische jagen. Es ist unglaublich, wie diese Frau zielstrebig in die Nacht auf die rauschenden Wellen zu geht. Bewaffnet mit Taschenlampe und einem Speer, welchen sie an einen Stock gebunden hat, watschelt sie eine Stunde durch knöchel- bis hüfttiefes Wasser um Fischreichere Gebiete zu erreichen. Zur Erinnerung, alleine und bei Nacht.
Domenico (Polynesisch: Teunu): Er ist der zweijährige Sohn von Fai Mano. Er spricht nur, wenn er die Schüchternheit fallen lassen kann. Dies braucht bei uns zwei bis drei Treffen. Danach ist er ein richtiger Strahlemann. Sein Lieblingsspielzeug ist seine Schubkarre (franz.: Brouette). So erhält er von uns nach einigen Tagen den Übernahmen „chef brouette“. Falls bis zu seiner Einschulung Starlink-Internet vorhanden ist, wird er per Video unterrichtet werden. Ansonsten müssen sie wohl zurück nach Maupiti ziehen.
Wir geniessen gemeinsame Mittagessen, der teure Lobster gibt es hier im Überfluss. Adrienne befiehlt uns nach drei Lobstern jeweils noch die restlichen zwei zu verspeisen. Wir tun unser Bestes. Fai Mano nimmt uns mit auf die Jagd zum Riff und einmal sogar zum Kokoskrabben sammeln auf der benachbarten Vogelinsel.
Die Bewohner hier leben alle von der Ernte und Trocknung von Kokosnüssen, Copra genannt. Daraus wird auf den grösseren Inseln kosmetisches Öl gewonnen. Es existiert eine Copra Kooperation in Tahiti. Diese organisiert Versorgungsschiffe, jedoch nur ab einer gewissen jährlichen Menge an Copra. Seit einigen Jahren wird diese nicht mehr erreicht, daher kommt auch kein Versorgungsschiff mehr. Die Leute hier sind Selbstversorger. Sie haben Gärten, Kokosnüsse und alles was das Meer bietet. Häufig bringen Segler Material oder erweiternde Lebensmittel von Maupiti mit. Dort lebt die Schwester von Fai Mano und organisiert den Transport. Ungefähr alle drei Jahre wird das Copra mit einem grösseren Schiff abgeholt.
Das nächste Land wartet
Nach fast zwei Wochen auf Maupiha‘a kommt endlich ein Wetterfenster, welches uns erlaubt nach Aitutaki auf den Cook Islands zu segeln. In Aitutaki ist gerade ein Hafen im Bau. Laut Kartenmaterial können wir mit unserem Schiff nicht reinfahren. Jedoch haben andere Segler vor uns kommentiert, dass der Pass bis auf vier Meter ausgebaggert wurde. Zudem muss das Boot mit dem Heck an Steinen befestigt werden. Wir freuen uns auf das nächste Abenteuer.
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