Der Eingang des Panamakanals bei der Stadt Colon kündigt sich mit immer dichterem Frachtschiffverkehr an. In den letzten fünf Seemeilen fährt man fast schon Slalom durch die ankernden Riesen. Wir entscheiden uns, die letzten drei Nächte vor dem Kanal im Hafen zu verbringen. Es gibt keine schönen Ankerplätze und der Hafen ist für Vorbereitungen viel effizienter. Schliesslich wollen wir nach dem Kanal nicht mehr viel Zeit verlieren und rasch in den Pazifik stechen.
Shelter Bay
Unter Langfahrtsegler ist der Hafen von Shelter Bay sehr bekannt. Wer in den Pazifik will, kommt an diesem Ort nicht vorbei. Zu unserem Erstaunen ist der Hafen ziemlich gut ausgestattet, sauber und generell funktionierend. Der Hafen liegt ausserhalb von anderer Zivilisation, etwa 30 Autominuten von der Stadt Colon entfernt. Die Region ist geschichtlich spannend und kann einiges erzählen. Der Hafen und der Regenwald dahinter, sowie viel der sonstigen Infrastruktur, stammt vom US Militär, welches hier im zweiten Weltkrieg eine grosse Basis hatte. Von hier aus wurde der Panamakanal gegen die Deutschen verteidigt. Auf der Pazifikseite des Kanals soll es ähnliche Anlagen geben, dort wollte man sich vor den Japanern verteidigen.
Nach den Weltkriegen nutzte die US Army die Region um Soldaten aufs Überleben im Dschungel vorzubereiten. Die Bunker sind zwar abgesperrt, jedoch gibt es einen Hafenmitarbeiter, welcher sich für die Geschichte des Ortes interessiert und diese gerne erzählt. So kamen wir in den Genuss einer Führung durch die teils umgenutzten Anlagen und zerfallenen Gebäude. Da vieles der Infrastruktur im Dschungel liegt, konnten wir nebenbei einige Wildtiere beobachten. Darunter Affen, Vögel, Cuatis und Ameisen.
Segel Community
Natürlich ist dieser Ort auch ein Nadelöhr für Segler. Daher erstaunt es wenig, dass man hier alte Bekannte antrifft. "Strong.Sails" von der SV Lucky Jonny organisieren gleich am Tag unserer Ankunft in Shelter Bay Marina einen Grillabend für befreundete Segler. Jenny und Jonathan leisten sehr wertvolle Arbeit für die Segelcommunity. Die beiden wissen fast alles und sind jeweils top informiert. In vielen Whatsapp Chats stehen sie für Fragen und Antworten zur Verfügung.
Wir packen also unsere sieben Sachen und werfen voller Stolz unseren eben noch geangelten Thunfisch auf den Rost.
Mit deutschen und dänischen Seglern geniessen wir den familiären Abend und tauschen uns über die allen bevorstehende Kanaldurchquerung aus.
Es geht los
Trotz einigen Horrorgeschichten von verschobenen Durchfahrtszeiten und zerschlagenen Solarpanels vom Runterwerfen der Seile in den Schleusen, freuen wir uns auf das bevorstehende Abenteuer. Am 19.04.24 geht es für uns wie geplant los. Um 15h00 kommt der Lotse zu uns an Bord. Im Hafen nahmen wir bereits Anthony den "Linehandler" zu uns aufs Schiff. Der junge Mann, aus Venezuela stammend, wohnt im Hafen und verdient sich mit solchen Kanaldurchfahrten zusätzliches Geld. Anthony ist freundlich und hilfsbereit und seinen Lohn absolut wert. Senor Lopez, der Lotse, ist allerdings ein richtiger "Mürgu". Mit dem ersten Schritt auf dem Schiff verlangt er gleich Wasser und meckert bereits, als wir ihn fragen, ob er eine eigene Flasche dabei habe. Gläser sind auf sich bewegenden Schiffen unpraktisch. Was solls, wir sollen keine Freunde werden. Der Mann soll uns nur durch den Kanal bringen.
Alle sind bereit und wir fahren in die erste Schleuse. Es ist eine Dreifachschleuse, mit welcher wir die ungefähr 26m hinauf zum Gatun See überwinden. Vor uns passiert gleichzeitig ein Frachtschiff den Kanal und wir binden uns mit 2 anderen Segelbooten zu einem Dreierpaket zusammen. Mit leichter Hektik, aber erfolgreich, passieren wir die Passage. Danach geht es noch etwa 20 Minuten bis zu einer Boje, um uns über Nacht fest zu machen. Unser Lotse Senor Lopez wird abgeholt und wir geniessen seinen Abgang.
Am nächsten Tag soll es um 07h00 weiter gehen. Da wir mittlerweile die mittelamerikanische Pünktlichkeit kennen, stellen wir die Wecker um 06h55. Nach gemütlichen Aufstehen und Frühstück erreicht unser neuer Lotse Rick gemächlich das Schiff. Dieser ist das Gegenteil vom gestrigen Senor Lopez und beginnt sofort mit Witzen und Erzählungen. Wann immer nötig wird er ernst und bringt uns sicher durch alle kommenden Schleusen. Er hat zudem ein grosses Wissen und so erfahren wir einige Nebengeschichten zu Panama und dem Panama Kanal. Zum Beispiel gibt es auf einer der Inseln im See eine Forschungsstation für den Regenwald. Es gibt nicht viel Zivilisation am See des Kanals. Man sieht fast ausschliesslich Wald und ab und zu mal ein Krokodil. Eines beobachten wir sogar beim Fressen eines toten Fisches.
Nach 4 Stunden unter Motor und Unterhaltung von Rick erreichen wir die erste von 2 Schleusen. Diesmal sind wir alleine mit einem grossen Frachtschiff. Die Schleusen sind beim herabgehen viel wilder und enthalten starke Strömung. Unsere Aufmerksamkeit ist gefragt.
Gegen Abend und nach den beiden Schleusen, welche uns hinunter in den Pazifik bringen, fahren wir noch 30 Minuten zu unserem Ankerspot für die kommende Nacht. Meer ist Meer und auf den ersten Blick hat sich nichts geändert, doch es ist geschafft, wir haben den Pazifik erreicht!
Stolz sitzen wir zusammen und stossen auf die jüngsten Erfolge an. Im Hinterkopf sind wir uns jedoch auch bewusst: Nach dem Kanal ist vor dem Pazifik. Für lange Nächte bleibt leider keine Zeit und wir planen unsere nächsten Tage um möglichst bald bereit zu sein.
Experten Coaching
Nach Absprache mit unserem Experten Coach André Rüegg, bestätigt er uns das gute Wetterfenster und gibt uns einige Tipps und Empfehlungen zur Route mit. Da er vor wenigen Jahren selbst an unserer Stelle war, informiert er uns nochmal über den Pazifik und trimmt unsere Erwartungen.
Wir wollen am 23.04.2024 unserer Pazifiküberquerung starten, jedoch gibt es bis dahin noch einige Punkte auf der Vorbereitungsliste und wir haben immer noch einen defekten Wassermacher.
Wassermacher
Nachdem alle Kontrollen, letzte Arbeiten und Einkäufe erledigt sind, gibt es mit dem wichtigen Wassermacher den letzten offenen Punkt. Während den Vorbereitungen erhalten wir den voraussichtlichen Liefertermin: 24.04.2024 spät abends. Eigentlich wollten wir am 23.04 bereits los. Wir sind im Clinch und sind uns nicht sicher, ob sich das Warten lohnen wird. Gerade noch in Kolumbien trafen die Lieferungen immer viele Tage (oder Wochen) später ein als angegeben. Doch das Frischwasser ist uns zu wichtig, wir pokern und werden belohnt. Tatsächlich erreicht das Ersatzteil Panama City bereits am 23.04, einen Tag früher als geplant. Sofort gehen wir in die Stadt um das Paket beim Dealer abzuholen. Reibungslos klappt diesmal alles und nach einem ersten Test sind wir zuversichtlich. Es scheint als hätten wir in letzter Sekunde eine äusserst salzige Überfahrt abgewendet.
Update 18.05.2024: Auch am 24. Tag der Pazifiküberquerung läuft unser Wassermacher reibungslos.
Pazifik wir kommen
Mit gemischten Gefühlen starten wir am Abend des 24.04.2024 in Richtung Galapagos, diese werden wir nördlich passieren und nach 4'000 Seemeilen die Marquisen erreichen.
Wir sind einerseits voller Freude und positiver Anspannung für die Überquerung. Es ist etwas Grosses, was uns bevorsteht und es ist das Paradies, was uns erwartet.
Andererseits ist eine Überquerung eine grosse mentale Prüfung und harte Tage mit Herausforderungen und wenig Schlaf stehen uns bevor.
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