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180 Tage auf dem eigenen Segelschiff - Von Höhen und Tiefen in Cartagena Kolumbien


Kolumbianische Leichtigkeit, Musik und Kolonialgeschichte im Ausgleich zu den vielen nach Cartagena aufgeschobenen Arbeiten am Schiff. Nach der Erkundungstour am zweiten Tag kommt alles anders als geplant.

Als Langfahrtsegler ist man manchmal Tourist, manchmal aber auch nicht. Der Kontakt mit Behörden und dem lokalen Gewerbe ist häufiger und intensiver. Gewollt oder ungewollt entdecken wir auch andere Winkel der Erde.


Instagram vs. Reality





Geplante Arbeiten in Cartagena:

- Ruder ausbauen und verbessern um das seitliche mechanische Spiel des Ruderschafts zu beseitigen.

- GFK-Arbeiten am Bug des Schiffes. Der Vorstag drückt dort ins Schiff. Aktuell ist die Lage zwar stabil, jedoch können wir den Mast nicht mehr richtig spannen (Segeltrimm).

- Unterwasserschiff ausbessern um Osmose vorzubeugen.

- Starlink (Satelliteninternet) installieren.

- Öl-Leck am Motor beseitigen und Motorraum neu isolieren.

- Püttinge (Ankerpunkt der Wanten) schleifen und lackieren (Korrosionsschutz).

- Gross-Schott und Gennaker-Fall ersetzen

- Mechanische Schäden am Spibaum reparieren

- USB-Steckdose im Cockpit installieren (um die Schweizer EM-Spiele schauen zu können)

- Diverse kleine Arbeiten

 

Schwierige Ankunft in Cartagena

Tag zwei in Cartagena und wir ziehen los, um uns im Hafen Manzanillo anzumelden. Es ist Freitag der 23. Februar und am kommenden Montag wollen wir hier das Schiff auskranen. Wir gehen zu Fuss um die Umgebung zu erkunden. Aus Erfahrung wissen wir, dass wir lokales Gewerbe und Ersatzeile für die Arbeiten benötigen werden.

Im Hafen diskutieren wir zuerst die noch nicht angekommenen Pakete. Wir haben 3 ausstehende Lieferungen.

Paket 1: Die Lieferung mit Warenwert von 350CHF kostet nun wegen Zoll lockere 180CHF dazu. Das Paket ist noch irgendwo in Kolumbien und sollte kommende Woche zugestellt werden. Wir werden informiert, versicherte uns die Dame am Empfang.

Paket 2: Der Warenwert übertrifft die Grenze von 2'000USD und muss deshalb mit einem Agenten eingeführt werden. Dies dauert nochmal 2 Wochen. Diese Information wurde uns leider erst vor Ort mitgeteilt, wir konnten nicht antizipieren. Wahrscheinlich gibt es erneut Mehrkosten.

Paket 3: Ist noch unterwegs, Ankunft ungewiss.

--> Zu den Paketen gibt es ganz am Schluss ein Update, hier schildern wir die aktuelle Lage von damals.

 

Hafenmarina Kolumbien

Nun kommt es dick. Schiffe haben einen Tiefgang, unseres 2.8m. Dies ist eher viel und deshalb sind wir stets aufmerksam auf die Wassertiefen. So haben wir auch bei diesem Hafen extra nachgefragt, ob Schiffe mit einem Tiefgang von 2.8m bis zum Hafenkran fahren können. Es wurde uns schriftlich bestätigt. Die Frau im Büro weiss keine Antwort auf die Vergewisserungsfrage bezüglich Wassertiefe. Wir müssen raus zum Kranchef. Mit dem Tätschmeister diskutieren wir zuerst welche Zahl grösser ist:

"Zwei Punkt 80 Meter (2.80m)" oder "Zwei Punkt 8 Meter (2.8m)"? Wir versuchen ihm zu erklären, dass beide Angaben dasselbe bedeuten. Er verneint nach wie vor und meint, dass er gerade ein Schiff mit Tiefgang von 2.40m ausgekrant hat und daher ein Schiff von "zwei Meter acht" kein Problem sei. Nach beinahe Nervenzusammenbruch wurden wir uns einig und uns wurde gleichzeitig klar, dass folglich unser Schiff mit 2.8m nicht gekrant werden kann.

Dies hat zur Folge, dass wir einen Teil der Arbeiten nicht ausführen können. Die Arbeiten hätten die Sicherheit für die Reise in den Pazifik erhöht, eine Region mit wenig Infrastruktur und langen Segelstrecken. Zudem sind viele Planungsstunden verpufft. Wir fühlen uns hintergangen.

 

Auf dem Heimweg entscheiden wir trotzdem, in den Bootsläden vorbei zu schauen. Eventuell benötigen wir später trotzdem Material. Nach zwei mittelmässigen Shops haben wir genug und zücken unsere Telefone. Wir suchen ein Taxi und schauen gleichzeitig, wo es uns genau hinbringen soll. Am Strassenrand stehend und die Telefone vor unseren Köpfen, sind wir offenbar leichte Beute. Ein Scooter fährt haarscharf an uns vorbei und schnappt sich ein IPhone. Wir haben keine Chance zu reagieren und müssen das Smartphone abschreiben. Die Polizei ist in der Nähe und wird von freundlichen Passanten sofort gerufen. Die beiden Beamten, ebenfalls auf einem Motorrad, zücken die Pistole und fahren dem anderen Scooter hinter her. Doch dieser ist längst entkommen.

Wir fragen noch, ob es eine Chance gibt, dass wir das IPhone zurückerhalten und ob die Polizei unsere Personalien benötigt. Aber dieses Delikt wird on Kolumbien wohl nicht gross dokumentiert. Wir erhalten in etwa folgende Antwort: Ihr seid bestimmt geschockt. Gehen sie nach Hausen und trinken sie einen Tee.

 

Wir sind echt am Boden, enttäuscht von der Menschheit. Um dieser Serie ein Ende zu setzen, nehmen wir das nächste Taxi zurück in die touristischen Gebiete der Stadt. Wir sitzen in die nächste Beiz und suchen im Wein Antworten auf das gerade Geschehene.

Wahrscheinlich hilft hier nur Zeit und Abstand.

 

 

Wie geht es weiter?

Na gut, das Leben hat Höhen und Tiefen. Das gilt für Reisen und auch fürs Leben mit festem Wohnsitz. Wir suchen also unseren Umgang damit und beschliessen "Gring abä und seckle". Wir wollten das Schiff auskranen um unser Ruder zu verbessern und GFK Arbeiten beim Anmachpunkt des Vorstages vornehmen. Beides sollte die Sicherheit für das Segeln im Pazifik erhöhen und kann nun nicht erledigt werden. Trotzdem wollen wir weitersegeln und Neuseeland erreichen. Wir starten die kommende Woche mit all den Schiffsarbeiten, welche auch im Wasser vor Anker machbar sind.

 

Während dieser Zeit von 10 Tagen bleiben wir mehrheitlich auf dem Schiff und sehen nicht viel von der Stadt. Wir fühlen uns zurückgezogen wohler und ein Segelschiff ist dazu sehr gut geeignet.

Am Ankerplatz in der Stadt wird das Schiff wegen dem Stadtstaub unglaublich dreckig. Nach wenigen Tagen kann man kaum mehr draussen sitzen ohne die Kleidung schwarz zu färben. Wir versetzen das Schiff also in den Hafen "Club Nautico", um dort Wasserzugang zu haben. Von nun an spritzen wir das Schiff täglich ab.


 

Ferien vom Reisen

Da wir nun mehr Zeit haben als anfangs gedacht, entscheiden wir von Cartagena aus einen Teil von Kolumbien zu bereisen. Wir gehen für eine knappe Woche vom Schiff, jeweils gestaffelt damit jemand aufs Boot aufpassen kann. Lukas und Luca gehen zuerst, Jérôme danach mit seinem Bruder Yannick. Er ist für einige Zeit in Kolumbien zu Besuch.

 

Zuerst geht es für uns nach Minca. Das Dorf und seine hügelige Regenwald-Umgebung sind das Gegenteil der lauten und schmutzigen Stadt Cartagena. Während im Hafen Club Nautico Motorenöl direkt ins Meer entleert wird (haben wir mehrmals beobachtet), findet man in Minca ökologischen Kaffee- und Kakaoanbau. Die Menschen sind sehr rücksichtsvoll und bedacht. Der Wechsel tut uns gut und wir fühlen uns ein bisschen wie im Paradies. Eine kleine Wanderung oder die Besichtigung einer Kakaoplantage reicht uns als Tagesprogramm. Sonst geniessen wir die Ruhe und die bequemen Hängematten sowie Cocktails und den Pool.



Nach Minca wartet der Tayrona Nationalpark. Ein Küstengebiet mit Regenwald und unglaublich schönen Stränden. Sehr speziell sind die grossen Felsen, welche an der Küste und im Park herumliegen. Im Park wohnen 30'000 indigene Menschen auf traditionelle Weise.

Wir haben den Park mit der Hängematte besucht und haben uns den Schlafplatz für die erste Nacht etwas ungeschickt ausgesucht. Eigentlich hatten wir uns bereits hingesetzt und entschieden, dass wir hier übernachten möchten. Ein schöner Strand, anliegend an einen offiziellen Campingplatz, vorne das Meer und hinten eine Süsswasserlagune. Etwas vor Sonnenuntergang bemerken wir Aufregung hinter uns. Zwei Parkarbeiter und eine Touristin schauen ins Wasser der Lagune und fotografieren. Wir stossen dazu und sehen dort einen etwa 2m langen Kaiman. Wir hinterfragen unseren Schlafplatz und entscheiden ihn anzupassen. Weil es bereits etwas spät ist und wir etwas eingeschüchtert sind, mieten wir ein Zelt vom Campingplatz.

Am nächsten Tag wandern wir weiter und suchen einen anderen Campingplatz, dort soll man seine eigene Hängematte offiziell mitbringen können. Kurz bevor wir den Campingplatz erreichen, in welchen wir später auch die Hängematte montieren können, kommen wir an einer Bäckerei mit einem YB-Schal vorbei. Wir sprechen die Verkäufer an und offenbar gehört die Bäckerei Angehörigen der Familie von Johan Vonlanthen. Vonlanthen ist Schweizer Fussballer mit Kolumbianischen Wurzeln. An der EM 2004 schoss er sich für die Schweiz zum jüngsten Torschützen an einer EM und galt zu dieser Zeit als Ausnahmetalent. Nach eher frühem Wechsel ins Ausland und Verletzungspech kam seine Karriere leider nicht mehr richtig ins Rollen.

Wir verbringen den Nachmittag mit Baden am hier wunderschönen Strand und geniessen die Nacht im Regenwald unter Palmen.

 


Cartagena 2.0

Nach unseren Ferien geht es zurück nach Cartagena aufs Schiff. Während nun Jérôme und Yannick Kolumbien unsicher machen, dreht sich bei Lukas und Luca alles ums Essen. In Kolumbien wollen wir, neben Spanien, den zweiten grossen Einkauf machen. Dieser soll dann auch gleich bis hinten raus reichen. Im Pazifik sind Einkaufsmöglichkeiten rar und teuer. Hier einige Beispiele des Einkaufs:

- 35 kg Pasta

- 15 kg Reis

- 30 kg Mehl

- 10 l Tomatensauce

- 10 kg Nutella

- 45 l Bier

- 10 Flaschen Rotwein

- 10 Gläser Pesto

- 20 Dosen Kichererbsen

- 20 Dosen Mais

- 10 Dosen Erbsen

- 20 Dosen diverses Gemüse

- 10 Dosen Bohnen

- 50 l Milch

- 35 kg Müslimischungen

- Viele Kekse

- 30 Packungen Chips und andere salzige Snacks

- 10 Packungen Erdnüsse

- 80 l Wasser (Reserve, wir haben einen Wassermacher)

 


Daneben gibt es während 2 Tagen viel Recherche und Planungsarbeiten. Wir beschäftigen uns auch mit der Pazifiküberquerung, da wir für diesen Ozean Internet haben werden, öffnen sich ganz neue Möglichkeiten. Wir arbeiten an einer neuen Form, um unsere Reise zu dokumentieren. Stay tuned..

Update Pakete 3.4.24

Paket 1 haben wir noch in der ersten Woche in Cartagena erhalten. Dort war der neuer Windsensor drin. Der alte war trotz Neukauf Anfang 2023 kaputt gegangen (Wasser ist eingetreten).

Paket 2 haben wir gerade noch am drittletzten Tag vor unserer Abfahrt in Cartagena erhalten. Wir zahlten 400CHF für Agenten drauf.

Paket 3 haben wir leider nicht erhalten. Darin war eine Dichtung um die Gaskiste vor Wassereintritt abzudichten.


Paketlieferung an Segelschiff

 

 

396 Ansichten3 Kommentare

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3 Comments


Guest
Apr 21

Wünsche euch weiter gute Tage auf See und viele bunte Erlebnisse.

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Guest
Apr 17

Hut ab , ihr seit eine tolle Crew und macht das einfach super !! Ja , Kehrseiten gibt es immer , aber eure sind jetzt grad im" Dutzend" uf träte hei ei ei. Wenn einer Einer eine Reise tut , dann kann er was erzählen , das gilt jetzt grad würklich , toi toi toi für die wiiteri Reis und alles , alles Guete . Es sind so ehrlichi und autentischi Bricht , es macht Freud mit z läse Ruth Schmutz

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Guest
Apr 09

Ihr seid einfach GROSSARTIG👌. Ich habe euren neuen Blog mit grosser Freude gelesen und trotzdem habt ihr mir etwas leid getan. Andere Länder und gaaaanz andere Sitten halt 🫣. In einem Jahr könnt ihr hoffentlich darüber beim erzählen lachen. Trotzdem, wir stossen gerade jetzt auf euch an 🍻 und wünschen euch weiterhin viel mehr positive Erlebnisse um die weniger positiven zu überwinden.

Herzliche Grüsse,

Helga & Hansueli🙋‍♀️🙋‍♂️

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